Eines vorneweg: Ich kann leider keine
Auswege aus dieser vermeintlichen Kulturkrise anbieten. Nichts was
Diskutierenden und Diskurs wirklich weiterhilft. Ich habe auch
ehrlich gesagt noch nichts gehört oder gelesen, was das macht. Auch
wenn unglaublich viele unglaublich viel fordern und sich am Auswurf
von Halbwissen und am Austausch von Beleidigungen beteiligen, so
fällt es doch schwer den eigentlichen Kern des Problems zu erkennen.
Ich zumindest habe das noch nicht.
Ich bin zuallererst jemand der Kunst
macht und den Kunst interessiert, deren Zurschaustellung, Verbreitung
und Möglichkeit entdeckt zu werden. Und dann, wenn die eigenen
Ansprüche erfüllt, der Zwang und die Leidenschaft eingedämmt
wurden, dann kommt vielleicht die Verwertung. Und falls mich die
Verwertung dann doch mal ein wenig mehr interessiert, dann war es
seit je her der DIY-Gedanke, der mich durch das Dickicht des
Zwielichts führte. Ein Artefakt will und muss begleitet werden. Nur
muss und will man es dann doch nicht immer selber machen. Es sind die
Verbündeten, die einem die Raum und Luft verschaffen. Nicht immer
uneigennützig. Aber ein gemeinsames Ziel verfolgend.
Natürlich kenne und pflege ich die
Selbstverständlichkeit Bücher und Platten im Regal stehen zu haben,
immer von der Idee und dem Ideal ergriffen diese Ansammlung von
Emotionen, Stimmungen, Momentaufnahmen und Wissen nicht dem Schwarm
zu übergeben, sondern vielmehr in Tradition stehend im eigenen
Stammbaum, der hier von Familie auf Freunde und künstlerisches
Netzwerk erweitert wird, zu vererben. Individuelle Spuren sind für
mich digital (noch) nicht richtig greifbar. Analoge Artefakte
erfreuen mein Herz. Was nicht bedeutet, dass ich die große Chance
nicht erkenne, die Netzkultur und digitales Zeitalter uns bieten, die
Welt sozial gerechter zu machen, Wissen und Informationen besser zu
verteilen, erfahrbar und zugänglich zu machen. Doch mit Kunst hat
das alles erstmal nichts zu tun. Kunst darf nicht den Fehler machen
auf technische Innovationen reagieren zu müssen. Kunst kann das.
Kunst muss das aber nicht. Wir reden deshalb ja auch hauptsächlich
von Verwertung und Geschäftsmodellen. Sick.
Ich habe mich die Tage mit dem
wunderbaren Fetsum getroffen. Er überreichte mir ein Exemplar seiner
neuen, eigentlich ersten CD „The Color Of Hope“. Ein schönes
Digi-pack. Ein ganz feines Artwork und zwölf Songs, prägnant,
hingebungsvoll, tief. Kein Schnellschuß. Drei Jahre hat er daran
gearbeitet. Eigentlich viel länger. Eigentlich ein ganzes Leben.
Über Jahre hat er auf einem Sofa geschlafen. Jeden Cent, egal ob
selbst erarbeitet, erspielt, ersungen oder von einem der Sponsoren,
die an den Musiker Fetsum glauben, hat er in diese Aufnahmen
gesteckt. Er sagt: „Das müsste so groß sein wie dieses Haus hier“
und zeigt auf das Gebäude neben uns. Die tatsächlichen zwölf mal
zwölf Zentimeter Manifestation halte ich in meiner Hand. Es wird dem
was ich beim Hören erfahre, empfinde und entdecke nur bedingt
gerecht. Ich höre ein großes Haus und ich befinde mich im Schatten
der Demut. Doch ich kann nachfühlen. Ich bin bei ihm. Ich kenne das.
Das Schätzenlernen digitaler Artefakte wird eine große
Herausforderung für manche Künstler, für viele Künstler, deren
Gedankenwelten sich analog verorten, Doch die gute Nachricht ist,
dass man auch getrost auf all das scheißen und einfach Kunst machen
kann. Nicht alle. Nicht jeder. Aber das ist halt auch einfach so.
Man konnte zuletzt viel lesen über
dieses Urheberrecht, über Notwendigkeit und Mängel. Über
veränderte Zeiten, neue Techniken und neues Nutzerverhalten. Der von
mir verehrte Sven Regener, dessen Ofen aus Glas ich seit meiner
späten Jugend befeuere, muss man seine jüngst getätigten Aussagen
verzeihen. Sie waren nicht dem Umstand geschuldet, dass die Welt sich
verändert, sondern dem Umstand dass der Mensch so seine lieben
Probleme hat über den Tellerrand des ihn ernährenden Suppentellers
hinaus zu blicken. Mir geht das ähnlich, wie dieser Text am Ende
zeigen wird.
Jetzt gilt es auch das digital
gespeicherte und sich so bewährende Wissen zu pflegen, zu bewahren,
zu evaluieren, zu sortieren, für kommende Generationen zu
synchronisieren und zugänglich zu machen. So gut es uns eben möglich
ist. Und Neues wird sich seine Wege bahnen. Wird es immer. Ehrlich
gesagt ist mir das Urheberrecht ziemlich egal. Kunst war in ihrem
Kern schon immer ein Subventionsgeschäft. Der Rest ist Business.
Auch das muss man verstehen. Sonst enden die Diskussionen im
Austausch sinnloser Selbstbewertungen und Positionierungen im
öffentlichen Resonanzraum und das hilft keinem wirklich weiter.
Vielleicht entsteht Kunst eben zumeist genau dort, wo es nicht um
Verkaufszahlen, Chartplazierungen, Bestsellerlisten und Marketing
geht. Ja, so wird es sein. Kunst entsteht immer dann, wenn die
anderen sich die Eier lecken, das Geld zählen oder sich in
Kleinkriegstreiberei verlieren. Kunst entsteht wenn die Sterne gut
stehen. Wenn das Unerwartete die Erwartungen übertrifft. Wenn Du
bereit bist Schmerzen auszuhalten. Und Häme. Und dunkle Zeiten.
Letztendlich geht es verdammt nochmal nicht um die Verwertung von
Kunst, sondern um deren Freiheit. Dass dafür Urheberrechte welcher
Art auch immer wieder einem Makeover unterzogen werden müssen ist
dabei doch selbstverständlich. Und wenn Kunst nicht nur
befriedigen, inspirieren und unterhalten soll, sondern man ihr auch
einen Bildungsauftrag unterstellt, dann bietet die Neugestaltung
vieler Urheberrechte eine große Chance die Welt ein bisschen besser
zu machen.
So lange andere
drüber nachdenken wie das funktionieren soll, habe ich hier alle
meine Songs - zumindest so viele wie ich in die zwei Stunden freien
Upload packen kann - zum freien Download bei Soundcloud vereint.
Falls mir jemand eine schnelle und einfache Anleitung schicken kann,
wie ich die alten Platten über Itunes vertreiben kann, würde ich
das den Backkatalog betreffend natürlich anstreben, denn das kleine
Berliner Label Pavlek Records, bei dem alle meine Platten erschienen
sind, ist schon lange Pleite. Wahrscheinlich waren es die immensen
Kosten für mein Video damals. Oder das teure Mastering für die
Camping Group-Platte. Oder einfach nur die Tatsache, dass nicht jedes
kleine Label groß wird und man zumindest einen Act haben sollte, der
die Kastanien aus dem Feuer holt. Ich war da noch nicht bereit für.
Aber dass es einen Typen gab, der tatsächlich meine Musik
veröffentlichen wollte, ist mir bis heute unbegreiflich. Und ganz
schön cool (habe erst da gemerkt, wie sich viele Autoren vom
Lautsprecherverlag wahrscheinlich gefühlt haben). Jetzt verstehe ich
wenn jemand Geld oder Arbeit und Liebe in meine Songs steckt. Ich bin
mehr ich und meine Songs sind noch mehr ich. Aber ich stecke – so
wie Fetsum es erlebte und viele andere – gerade irgendwo in diesen
drei oder mehr Jahren. Aber da man es sich nun mal nicht aussuchen
kann und der Drang und die Überlebensnotwendigkeit
verwertungsunabhängig existieren und täglich nagen, zerren, einen
zerreißen und wieder zusammensetzen, werde ich das, was wieder mal
so groß wie ein Haus sein sollte, irgendwann in meinen Händen
halten oder Dir vorspielen. Oder halt einen Link schicken.
Die
Urheberrechtediskussion wird mich ab jetzt nicht mehr interessieren.
Seht mir das bitte nach. Danke.