Sonntag, 20. Mai 2012

Das Urheberrecht, im unbekannten Wesen liegt die Verführung. Aber warum es mich auch nicht mehr interessiert.


Eines vorneweg: Ich kann leider keine Auswege aus dieser vermeintlichen Kulturkrise anbieten. Nichts was Diskutierenden und Diskurs wirklich weiterhilft. Ich habe auch ehrlich gesagt noch nichts gehört oder gelesen, was das macht. Auch wenn unglaublich viele unglaublich viel fordern und sich am Auswurf von Halbwissen und am Austausch von Beleidigungen beteiligen, so fällt es doch schwer den eigentlichen Kern des Problems zu erkennen. Ich zumindest habe das noch nicht.

Ich bin zuallererst jemand der Kunst macht und den Kunst interessiert, deren Zurschaustellung, Verbreitung und Möglichkeit entdeckt zu werden. Und dann, wenn die eigenen Ansprüche erfüllt, der Zwang und die Leidenschaft eingedämmt wurden, dann kommt vielleicht die Verwertung. Und falls mich die Verwertung dann doch mal ein wenig mehr interessiert, dann war es seit je her der DIY-Gedanke, der mich durch das Dickicht des Zwielichts führte. Ein Artefakt will und muss begleitet werden. Nur muss und will man es dann doch nicht immer selber machen. Es sind die Verbündeten, die einem die Raum und Luft verschaffen. Nicht immer uneigennützig. Aber ein gemeinsames Ziel verfolgend.

Natürlich kenne und pflege ich die Selbstverständlichkeit Bücher und Platten im Regal stehen zu haben, immer von der Idee und dem Ideal ergriffen diese Ansammlung von Emotionen, Stimmungen, Momentaufnahmen und Wissen nicht dem Schwarm zu übergeben, sondern vielmehr in Tradition stehend im eigenen Stammbaum, der hier von Familie auf Freunde und künstlerisches Netzwerk erweitert wird, zu vererben. Individuelle Spuren sind für mich digital (noch) nicht richtig greifbar. Analoge Artefakte erfreuen mein Herz. Was nicht bedeutet, dass ich die große Chance nicht erkenne, die Netzkultur und digitales Zeitalter uns bieten, die Welt sozial gerechter zu machen, Wissen und Informationen besser zu verteilen, erfahrbar und zugänglich zu machen. Doch mit Kunst hat das alles erstmal nichts zu tun. Kunst darf nicht den Fehler machen auf technische Innovationen reagieren zu müssen. Kunst kann das. Kunst muss das aber nicht. Wir reden deshalb ja auch hauptsächlich von Verwertung und Geschäftsmodellen. Sick.

Ich habe mich die Tage mit dem wunderbaren Fetsum getroffen. Er überreichte mir ein Exemplar seiner neuen, eigentlich ersten CD „The Color Of Hope“. Ein schönes Digi-pack. Ein ganz feines Artwork und zwölf Songs, prägnant, hingebungsvoll, tief. Kein Schnellschuß. Drei Jahre hat er daran gearbeitet. Eigentlich viel länger. Eigentlich ein ganzes Leben. Über Jahre hat er auf einem Sofa geschlafen. Jeden Cent, egal ob selbst erarbeitet, erspielt, ersungen oder von einem der Sponsoren, die an den Musiker Fetsum glauben, hat er in diese Aufnahmen gesteckt. Er sagt: „Das müsste so groß sein wie dieses Haus hier“ und zeigt auf das Gebäude neben uns. Die tatsächlichen zwölf mal zwölf Zentimeter Manifestation halte ich in meiner Hand. Es wird dem was ich beim Hören erfahre, empfinde und entdecke nur bedingt gerecht. Ich höre ein großes Haus und ich befinde mich im Schatten der Demut. Doch ich kann nachfühlen. Ich bin bei ihm. Ich kenne das. Das Schätzenlernen digitaler Artefakte wird eine große Herausforderung für manche Künstler, für viele Künstler, deren Gedankenwelten sich analog verorten, Doch die gute Nachricht ist, dass man auch getrost auf all das scheißen und einfach Kunst machen kann. Nicht alle. Nicht jeder. Aber das ist halt auch einfach so.

Man konnte zuletzt viel lesen über dieses Urheberrecht, über Notwendigkeit und Mängel. Über veränderte Zeiten, neue Techniken und neues Nutzerverhalten. Der von mir verehrte Sven Regener, dessen Ofen aus Glas ich seit meiner späten Jugend befeuere, muss man seine jüngst getätigten Aussagen verzeihen. Sie waren nicht dem Umstand geschuldet, dass die Welt sich verändert, sondern dem Umstand dass der Mensch so seine lieben Probleme hat über den Tellerrand des ihn ernährenden Suppentellers hinaus zu blicken. Mir geht das ähnlich, wie dieser Text am Ende zeigen wird.

Jetzt gilt es auch das digital gespeicherte und sich so bewährende Wissen zu pflegen, zu bewahren, zu evaluieren, zu sortieren, für kommende Generationen zu synchronisieren und zugänglich zu machen. So gut es uns eben möglich ist. Und Neues wird sich seine Wege bahnen. Wird es immer. Ehrlich gesagt ist mir das Urheberrecht ziemlich egal. Kunst war in ihrem Kern schon immer ein Subventionsgeschäft. Der Rest ist Business. Auch das muss man verstehen. Sonst enden die Diskussionen im Austausch sinnloser Selbstbewertungen und Positionierungen im öffentlichen Resonanzraum und das hilft keinem wirklich weiter. Vielleicht entsteht Kunst eben zumeist genau dort, wo es nicht um Verkaufszahlen, Chartplazierungen, Bestsellerlisten und Marketing geht. Ja, so wird es sein. Kunst entsteht immer dann, wenn die anderen sich die Eier lecken, das Geld zählen oder sich in Kleinkriegstreiberei verlieren. Kunst entsteht wenn die Sterne gut stehen. Wenn das Unerwartete die Erwartungen übertrifft. Wenn Du bereit bist Schmerzen auszuhalten. Und Häme. Und dunkle Zeiten. Letztendlich geht es verdammt nochmal nicht um die Verwertung von Kunst, sondern um deren Freiheit. Dass dafür Urheberrechte welcher Art auch immer wieder einem Makeover unterzogen werden müssen ist dabei doch selbstverständlich. Und wenn Kunst nicht nur befriedigen, inspirieren und unterhalten soll, sondern man ihr auch einen Bildungsauftrag unterstellt, dann bietet die Neugestaltung vieler Urheberrechte eine große Chance die Welt ein bisschen besser zu machen.

So lange andere drüber nachdenken wie das funktionieren soll, habe ich hier alle meine Songs - zumindest so viele wie ich in die zwei Stunden freien Upload packen kann - zum freien Download bei Soundcloud vereint. Falls mir jemand eine schnelle und einfache Anleitung schicken kann, wie ich die alten Platten über Itunes vertreiben kann, würde ich das den Backkatalog betreffend natürlich anstreben, denn das kleine Berliner Label Pavlek Records, bei dem alle meine Platten erschienen sind, ist schon lange Pleite. Wahrscheinlich waren es die immensen Kosten für mein Video damals. Oder das teure Mastering für die Camping Group-Platte. Oder einfach nur die Tatsache, dass nicht jedes kleine Label groß wird und man zumindest einen Act haben sollte, der die Kastanien aus dem Feuer holt. Ich war da noch nicht bereit für. Aber dass es einen Typen gab, der tatsächlich meine Musik veröffentlichen wollte, ist mir bis heute unbegreiflich. Und ganz schön cool (habe erst da gemerkt, wie sich viele Autoren vom Lautsprecherverlag wahrscheinlich gefühlt haben). Jetzt verstehe ich wenn jemand Geld oder Arbeit und Liebe in meine Songs steckt. Ich bin mehr ich und meine Songs sind noch mehr ich. Aber ich stecke – so wie Fetsum es erlebte und viele andere – gerade irgendwo in diesen drei oder mehr Jahren. Aber da man es sich nun mal nicht aussuchen kann und der Drang und die Überlebensnotwendigkeit verwertungsunabhängig existieren und täglich nagen, zerren, einen zerreißen und wieder zusammensetzen, werde ich das, was wieder mal so groß wie ein Haus sein sollte, irgendwann in meinen Händen halten oder Dir vorspielen. Oder halt einen Link schicken.

Die Urheberrechtediskussion wird mich ab jetzt nicht mehr interessieren. Seht mir das bitte nach. Danke.