Sonntag, 19. Oktober 2014

Easy Does It! Das Buch.


Easy Does It! machen ein Buch. Viele machen mit. Riecht nach Gang. Specter hat mich gefragt, ob ich den Text für seinen Beitrag schreibe. Er weiß warum. Ich stecke zur Zeit sowieso voller Hate. Früher hätte man die erwünschte Form vielleicht eine Polemik genannt. Heute könnte man in Versuchung geraten es einen Diss zu nennen. Dem Genre geschuldet ist der Text hier und da ein klein wenig dick aufgetragen, andererseits auch wieder nicht. Wie das halt so ist. Letztendlich brauchst du Haltung. Und deshalb ist es mir eine große Ehre in diesem Buch dabei zu sein. Das Buch wird ab dem 13.11. ausgeliefert, vorbestellen könnt ihr es übrigens hier. Solltet ihr auch. Ein Artefakt aus der Stadt der Sehnsucht, arm aber sexy, schmutzig und schön, elegisch, echt, aggressiv und voll urban, der reale ([ˈriːəl]) Shit eben! Und jetzt viel Spaß beim Lesen:




Ich muss gestehen: Ich habe keine große Ahnung von HipHop. Fakten allein machen eben noch keinen Fick. Aber trotzdem habe ich so richtig Ficken erst in Berlin gelernt. Meine Stuttgarter Sozialisation war mehr Kuschelsex. So wie Totenkopfmaske in Chrome-Ästhetik als Symbol für die Umnachtung urbaner Jugendkultur versus Pandabärchenoptik als Symbol für whatever. Ich kann ja verstehen, dass ISIS-Kämpfer und andere Lappen internationalen oder national-provinziellen Terrors sich mehrheitlich vermummt ablichten lassen, wenn sie in Videos martialisch den Ehrentod ankündigen oder mit Enthauptung drohen. Das verlängert die Halbwertszeit ungemein, wenn man einer Organisation angehört, deren Mitglieder sich regelmäßig selbst in die Luft sprengen. Aber eine andere Erklärung außer clownesker Provinzscharade für die komplett Zurückgeblieben fällt mir nicht ein, wenn ich sehe wie Rapper aus so urbanen Brennpunkten wie Saarbrücken oder Ulm einen auf dick machen und sich elendiKK und jenseits aller Realness inszenieren, als hätten sie gerade mindestens zehn Kilo Koks verschnitten. Doch leider sieht die Realität anders aus. Etwas Homegrown und die rechtlich geschützte Marvel-Maske für das ewige Kind im Mann als konfektionierte Individualität. Jeder möchte einfach nur etwas sein, was er nicht ist und nie sein kann und wird. So funktioniert das nun mal nicht. Ex-Boss-Model hin oder her. Ein nettes Gesicht. Ein alter Ego mit Maske. Ich könnte kotzen, wenn ich sehe, wie in Deutschland den Plagiaten und Epigonenklonen gehuldigt wird. Was denkt sich Cro, wenn er eine Tiermaske von der Stange nimmt, ein umgedrehtes Kreuz auf die Plastikstirn malt und als Role Model eine ganze Generation von Jungs in die Magersucht treibt? Oder zumindest in viel zu enge Hosen. Würde Charles Manson verstehen, so von Musiker zu Musiker, warum ein durchschnittliches Kid sich der Insignien des Bösen bedient, um dann im Li-La-Laune-Tigerentenclub vereinter Rotznasen ganz groß verkünden zu können: Easy does it! Ich verstehe den Wunsch nach einem Knieschuss oder eben einem Statement, weil ich verstanden und erlebt habe, wie Sido mit der Mutter aller Masken einst eines setzte, dass unmissverständlicher nicht sein konnte: „Ich bin nicht ich. Ich bin auf der Suche und solange ich das bin könnt auch ihr mich nicht enträtseln. Ich bin mein eigener Herr“. HipHop dreht sich um vieles, aber in erster Linie geht es um Entfremdung und Identifikation. Nicht immer auf der selben Ebene. Aber auf dem schmalen Grat zwischen Entfremdung und Identifikation, irgendwo da kannst du es vielleicht spüren. Wenn es echt ist. Das Leben. Doch zuerst musst du den Pandabär in dir töten. Ich habe mit RZA in Berlin und mit Lil Wayne in Miami, mit King Ali in der Bravo Bar, mit Specter in meinem Wohnzimmer und mit deiner Mutter in meinem Bett gefeiert, ich glaube, ich darf diesen Text schreiben. Genauer gesagt: Ich muss ihn schreiben. Das ist Chronistenpflicht. Denn es gibt immer einen Punkt, an dem man mangelnden Respekt und Ausverkauf zumindest anprangern und tadeln sollte. Für die Bestrafung sind dann andere zuständig, nämlich jene, die den Scheiß leben und am Leben halten und nicht wie ich nur den Hass betroffener versucht in Worte zu fassen. Wäre ich Rapper, dann wäre das ein Diss-Track. Aber ich bin nur Fan. Oder nein, scheiß drauf: Ich bin Freund. Und ich bin ein Berliner mit Stuttgarter Wurzeln. So sagt man das doch, als Immigrant.