Easy Does It! machen ein Buch. Viele machen mit. Riecht nach Gang. Specter hat mich gefragt, ob ich den Text für seinen Beitrag schreibe. Er weiß warum. Ich stecke zur Zeit sowieso voller Hate. Früher hätte man die erwünschte Form vielleicht eine Polemik genannt. Heute könnte man in Versuchung geraten es einen Diss zu nennen. Dem Genre geschuldet ist der Text hier und da ein klein wenig dick aufgetragen, andererseits auch wieder nicht. Wie das halt so ist. Letztendlich brauchst du Haltung. Und deshalb ist es mir eine große Ehre in diesem Buch dabei zu sein. Das Buch wird ab dem 13.11. ausgeliefert, vorbestellen könnt ihr es übrigens hier. Solltet ihr auch. Ein Artefakt aus der Stadt der Sehnsucht, arm aber sexy, schmutzig und schön, elegisch, echt, aggressiv und voll urban, der reale ([ˈriːəl]) Shit eben! Und jetzt viel Spaß beim Lesen:
Ich muss gestehen: Ich habe keine große
Ahnung von HipHop. Fakten allein machen eben noch keinen Fick. Aber
trotzdem habe ich so richtig Ficken erst in Berlin gelernt. Meine
Stuttgarter Sozialisation war mehr Kuschelsex. So wie Totenkopfmaske
in Chrome-Ästhetik als Symbol für die Umnachtung urbaner
Jugendkultur versus Pandabärchenoptik als Symbol für whatever. Ich
kann ja verstehen, dass ISIS-Kämpfer und andere Lappen
internationalen oder national-provinziellen Terrors sich mehrheitlich
vermummt ablichten lassen, wenn sie in Videos martialisch den
Ehrentod ankündigen oder mit Enthauptung drohen. Das verlängert die
Halbwertszeit ungemein, wenn man einer Organisation angehört, deren
Mitglieder sich regelmäßig selbst in die Luft sprengen. Aber eine
andere Erklärung außer clownesker Provinzscharade für die komplett
Zurückgeblieben fällt mir nicht ein, wenn ich sehe wie Rapper aus
so urbanen Brennpunkten wie Saarbrücken oder Ulm einen auf dick
machen und sich elendiKK und jenseits aller Realness inszenieren, als
hätten sie gerade mindestens zehn Kilo Koks verschnitten. Doch
leider sieht die Realität anders aus. Etwas Homegrown und die
rechtlich geschützte Marvel-Maske für das ewige Kind im Mann als konfektionierte Individualität. Jeder
möchte einfach nur etwas sein, was er nicht ist und nie sein kann
und wird. So funktioniert das nun mal nicht. Ex-Boss-Model hin oder
her. Ein nettes Gesicht. Ein alter Ego mit Maske. Ich könnte kotzen,
wenn ich sehe, wie in Deutschland den Plagiaten und Epigonenklonen
gehuldigt wird. Was denkt sich Cro, wenn er eine Tiermaske von der
Stange nimmt, ein umgedrehtes Kreuz auf die Plastikstirn malt und als
Role Model eine ganze Generation von Jungs in die Magersucht treibt?
Oder zumindest in viel zu enge Hosen. Würde Charles Manson
verstehen, so von Musiker zu Musiker, warum ein durchschnittliches
Kid sich der Insignien des Bösen bedient, um dann im
Li-La-Laune-Tigerentenclub vereinter Rotznasen ganz groß verkünden
zu können: Easy does it! Ich verstehe den Wunsch nach einem Knieschuss oder eben einem Statement, weil ich verstanden und erlebt habe, wie Sido mit der
Mutter aller Masken einst eines setzte, dass unmissverständlicher
nicht sein konnte: „Ich bin nicht ich. Ich bin auf der Suche und
solange ich das bin könnt auch ihr mich nicht enträtseln. Ich bin
mein eigener Herr“. HipHop dreht sich um vieles, aber in erster
Linie geht es um Entfremdung und Identifikation. Nicht immer auf der selben Ebene. Aber auf dem schmalen Grat zwischen Entfremdung und Identifikation,
irgendwo da kannst du es vielleicht spüren. Wenn es echt ist. Das Leben. Doch zuerst musst du den
Pandabär in dir töten. Ich habe mit RZA in Berlin und mit Lil Wayne
in Miami, mit King Ali in der Bravo Bar, mit Specter in meinem
Wohnzimmer und mit deiner Mutter in meinem Bett gefeiert, ich glaube,
ich darf diesen Text schreiben. Genauer gesagt: Ich muss ihn
schreiben. Das ist Chronistenpflicht. Denn es gibt immer einen Punkt,
an dem man mangelnden Respekt und Ausverkauf zumindest anprangern und
tadeln sollte. Für die Bestrafung sind dann andere zuständig, nämlich jene,
die den Scheiß leben und am Leben halten und nicht wie ich
nur den Hass betroffener versucht in Worte zu fassen. Wäre ich Rapper, dann wäre das ein Diss-Track. Aber ich bin nur
Fan. Oder nein, scheiß drauf: Ich bin Freund. Und ich bin ein
Berliner mit Stuttgarter Wurzeln. So sagt man das doch, als
Immigrant.