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Dienstag, 24. März 2015

Tumult im Teich



Dein Atem füllt das Segel
meines Optimisten, wird der Teich
zu klein, zum See, zur Brandung,
ein Liebesschwur gehaucht
wird zu Knoten, nehmen wir
Fahrt auf Richtung offenes Meer.



Donnerstag, 28. August 2014

Berlin beziehungsweise



Kein sich schließender Kreis, das wäre
zu einfach, dichte ich mir an, verträumt

auf vielfacher Wunschfestigkeit bleibt der
Wellnessbereich heute geschlossen, nehme

den Hinterausgang in die Stadt und finde
mich mittig im Herzen ihrer wieder, als in

der Ringbahn zwischen Westhafen und
Wedding alles einfach abfällt und bleibt

und die Einsamkeit sich nicht mehr über
die Abwesenheit anderer definieren muss.



Sonntag, 10. August 2014

Invasive Mondstrahlung



Heute Nacht protzt Luna, knallt durch
doppelwandiges Fensterglas, eingelassen
in die Dachschräge, drunter das Bett, ich
auf dem Rückend liegend folgen Blick und
Kopf der Expansion ins Nichts, verlasse
für kurz die Umlaufbahn, ein Trabant, ich
ziehe mir die Schlafbrille von Condor über
die Augen, es expandiert immer weiter.


Montag, 28. Juli 2014

Solanum Sommer 2014 (Arbeitsskizze)



Klink dich ganz schnell ein und
schnell wieder raus, immer im Infight

körpernah Vollkontakt, ein feucht
verdichteter Raum phonisch entkernt

taktvoll mit Bewegung und Hoffnung
klick oder fick mich, mit der Hand

unter das V-Neck-Shirt oder direkt
in den Schritt, dazu ein Lächeln, ihr

Top ist verrutscht, egal, der Dandy
hat dienstags die Haare schwarz und

mittwochs blond und samstags teilen
wir uns einen Plattenschrank, zurück

in den Nightlifenukleus, ich berühre den
Berliner Buddha in königlicher Größe

für ein klein bisschen Glück in der
Liebe, in dieser dunklen Zeit, hitzefrei

zurück an den Schultresen und eine
Runde Stolichnaya pur hier und da mit

taurinversetzter Zuckersuppe, ich
bete es mir seit Jahren vor, ich falle

nicht, ich lege mich nur hin, aber doch
Wankelmut wiegt ab fälschlich und dann

ist mir klar geworden, wir haben uns
letztes Jahr im Sommer am Mittelmeer

gelassen und ich habe keine Ahnung
warum, jetzt wächst auf dem Balkon

ein kleiner Lavendelstrauch, ich beobachte
die Verholzung und denke mir eines Tages

Baby, werden wir still an die Geschichten
denken, die wir nicht erlebt haben und

laut über das lachen, was uns kollektiv
als Kollateralschäden erhalten blieb

und die Sonne wird weder im Herz noch
aus dem Arsch scheinen, sondern einfach

nur über uns stehen und sich an uns
erinnern oder eben halt nicht, wer weiß.



Mittwoch, 23. Juli 2014

Angerichtet



Vielleicht Gebrauchsspuren
ganz sicher sogar, der Firnis
als zeitverzögerliches Siegel
für etwas untrennbares oder

einfach nur glanzverleihend
dem anstiftenden Chaos die
Stirn oder eine Bühne bieten
als Entscheidungshilfe nur die

Nacht, im Glitzerregen standen
wir da und stupor mundi weit
die Augen auf und angerichtet
der Schaden und das Festmahl.



Dienstag, 22. Juli 2014

Ohne Titel



Wir leben uns vor und aneinander
vorbei, vermeintlich zielsicher, direkt,

zu glauben es wäre unmissverständlich
oder zumindest klar wie das Wasser im

Gletschersee Deines frostigen Willens,
als alles, auch wirklich alles, sich nur

noch an Parametern messen lässt, die
schon urzeitlich fehlerhaft und ungenau

das Schicksal derer bestimmen, die sich
nicht trauen, weder jetzt noch damals

als die Signatur sich weigert leserlich zu
sein, weil es unnütz ist zu wissen wer

und warum und all die Fragen die sich
Dir stellten, als es galt sich zu entscheiden

sie werden sich ihre Antworten selber
suchen und dann ist die Magie dahin.


Freitag, 18. Juli 2014

Ohne Titel



Rückblick als Fuge, verdichtet
zu Playback, die Lippen synchron
zu etwas, an das man unbedingt
glauben möchte, unbeirrbar rauscht
es hintergründig, reißt alles mit und
ein, hinterlässt eine Schneise; Brach
fermentiert sich der Schaden zu
organischer Masse, wird fleischig
und fängt an zu pochen, manche
nennen es Herz, ich nenne es Zeit.


Mittwoch, 11. Juni 2014

Melancholisch geil


Sommergewitter
machen mich melancholisch geil

Sie sagt früher war das eine Stadt
heute ist es eine Maschine

doch die Maschine macht dich erst
begehrenswert

macht uns erst zu Mitmenschen
die sich begehren können

und sowieso

Mitmenschen machen mich bei
Sommergewitter melancholisch geil


Sonntag, 8. Juni 2014

Dämmerung reprise



Hier, wo Du strahlst, mit dem Spot
im Gesicht das Lächeln sich verzerrt
verzierst Du den Akt der Zerstörung

in durchdringender Manier, malerisch
mehr Podest als Bühne, der Barhocker
Lässigkeit verlangend, keiner der hier
noch messdienert, weder kapituliert;

Als der Morgendunst die Nacht bricht
begegnen wir uns in sicher verwahrter
Distanz, Liebe langsam dechiffrierend.


Dienstag, 3. Juni 2014

Streichelzooromantik



Jeder Kitzler, Kater, Streichelzoo
Schlagabtausch, immer noch annehmbar
deviant, gratwandernd, graziös in
Erwartung, mehr Annehmen als Aus
                 Halten, den Schwanz

                fest im Griff, umklammert, Apnoe
poetisch blickwandernd gespielt gepaart
Hilflosigkeit und Demut, bearbeite den
Hirnstamm mit massiver Geisteskraft, dem
Wider im Stand trotzend, ausgeliefert.


Mittwoch, 19. März 2014

Wildfang



Die Menschenrepublik, hochauflösend
das Bild, scharf in der Tiefe, tauche apnoe
ab und auf aus den Fluten der Schwemme
mit Dreizack und Krone, Wassertropfen
die im Bart hängen, der Atem vergeistert
mit Eichenholz und Aromen von Beeren
degustieren wir fleischgewordene Liebe
in den Hinterzimmern der vermeintlichen
Macht, den Wildfang schockgefrostet


Dienstag, 18. März 2014

Zungenschlag



Im Supermarkt ist Liebe vergriffen, es gibt
Nährwertangaben, aber keine Liebe, die
Regale sind voll, nur da wo Liebe stehen sollte
ist heute ein Loch; Ein Blindflug für die Sinne
Restfleisch zwischen den Zähnen als Statussymbol
für Wohlstand und Wellness gibt es auf dem
Küchenboden oder im Bürostuhl hängend, breit
beinig, die Scham glänzend, wie von Tautropfen
benetzt, die Münder gierig, lecken den Schweiß
von der Haut mit der Zunge über subkutane
Kunst, knallt es wangenrot zum Höhepunkt
macht sich behaglich, heimisch, hält zusammen
die cremefarbene Kunstledersofatristesse und
das digitalisierte Stöhnen, der transparente
Plastikbecher mit Easy-Click-Verschluss für
die repressive Erleichterung und dem Wunsch
nach Reproduktion; Ein großer Park, Flora hält
sich zurück, das Grün spärlich, doch der Frühling
findet sich ein im Detail versessen auf etwas in der
Hand haltend gehe ich quer durch diesen Park
folge der Straße bis zum nächsten Supermarkt
und stelle dort heimlich Liebe ins Regal, stopfe
das Loch, behutsam, leise, ein langgezogenes
Hauchen, als hätte ich eine Bombe platziert











Montag, 17. März 2014

Kokon



Seelenkumpane Celan, Worte
unmittelbar, möchte Dich umarmen,
durch die Zeiten hindurch randaliert
das lyrische Wesen, ringt sich Zeichen
ab, beschreibt die Haut, das Wunder,
mehrt sich erotisches Kapital, legt
sich sachte nieder, verwandelt sich im
Frühling, gefesselt von einem blauen
Band, entpuppt sich etwas Neues.


Mittwoch, 12. März 2014

Dialogfeuer (Betaversion, Textvorlage), eine Textvorlage in 3 Akten für vier Schauspieler oder Freunde mit minimalen Umsetzungsanweisungen




Protagonisten: A, B, C, D
Ort: Eine Bühne in Berlin 
Begebenheit: Treffen unter vielleicht guten Freunden
Zeit: 2014

Anleitungen: Alle vier Protagonisten sind geschlechtsunabhängig, bildungsnah, gutaussehend (vermeintlich), gesund (vordergründig), kreativ und in einer werberelevanten Alterszielgruppe (flexibel). Die Bühnenbauten sind klimaneutral und nachhaltig. Der Holzpanzer z.B. geht als Kletterburg an einen Kindergarten. Drei Protagonisten haben aktuelle mobile Endgeräte (bestenfalls die eigenen) und können damit machen was sie wollen. Auch twittern. Der Hashtag lautet #DialogfeuerIm ersten Teil tragen sie aktuelle Fashion Statements, dem jeweiligen Typ entsprechend, zum zweiten Teil ziehen sich die Protagonisten aus und tragen unten drunter goldene Glitzerleggings, zum dritten Teil malen sie sich selbst ausgedachte und unpolitische Slogans auf den nackten Oberkörper und tragen Kopfbedeckungen (Blumenkranz, Basecap, Hipster-Hut und Wollmütze). Das Licht ist im ersten Teil statisch grell. Im zweiten Teil wie auf einer Engtanzparty. Im dritten spärlich. Alle drei Teile werden durch Einspieler eingeleitet und verbunden. Zum Auftakt läuft (alles Titel vom Band) der Titelsong der deutschen Ausgabe der Sesamstraße, in einer Version aus den achtziger Jahren und die vier Protagonisten blasen Luftballons auf, die sie ins Publikum werfen. Zwischen Teil 1 und Teil 2 läuft „Kind“ von Nils Frahm und die Protagonisten tanzen eng umschlungen, wechseln dabei immer wieder den Partner und werden anzüglich und horny. Zwischen Teil 2 und Teil 3 wird "You And I In Unison" von La Dispute eingespielt und die vier Protagonisten bauen einen Panzer aus Holz zusammen, alternativ dazu kann jeder Protagonist auch eine zerlegte AK-47 zusammenbauen. Zum Ende von Teil 3 verteilen die vier Protagonisten Textblätter zu „Come As You Are“ von Nirvana und singen alle zusammen im Chor eine schleppende Lagerfeuerversion. Alkohol- und Drogenkonsum sind vor und auf der Bühne zu jedem Zeitpunkt unbedingt zugelassen und erwünscht. Aufnahmen und deren nicht kommerzielle Nutzung und Verbreitung ebenfalls. Die Wörter „Scheiße“ und „Ficken“ dürfen, können und sollen von den Protagonisten frei verwendet werden. Auf den Textblättern sollte auf der Rückseite ein Gewinnspiel angeboten werden.

Anmerkung: Dies ist ein Generationenstück für jene, die in diesen Tagen dreißig werden. Dies ist kein Generationenstück für jene, die sich immer noch wie dreißig fühlen. Und für meine Frau und die nächsten zehn Jahre.


Teil 1: Die Richtung, das Recht und der Raum

Dienstag, 11. März 2014

Während sie auf ihm sitzt, Ohrfeigen



Textfahnen, die im Wind wehen, Durchzug
unterm Dach ausgelüftet, die Gespenster
vertrieben, lieben und leiden, es sind doch
immer

        zwei Königskinder und ein See, ein 
Stein am Bein, der Raketenantrieb auf
dem Rücken und eine einzelne Socke auf
weitem Flur sind 

                 drei Kerzen bei weitem zu wenig 
Aufregung, nachts, kein Lauffeuer wird Sturm 
und Drang entkommen, alles normal unterm
Dach, der Regen prasselt manchmal drauf.


Freitag, 25. Januar 2013

Fließender Verkehr oder Die letzte Tour


Es wird nicht unbedingt schöner. Auch nicht bei Nacht. Doch es verändert sich. Er hatte ausreichend Zeit das zu Beobachten. Baustellen gibt es immer wieder. Die ganze Straße ist eine Baustelle. Nicht dass da überall Kräne herumstehen würden. Nein. Nicht hier in der angesagten Mitte. Es ist mehr Flickwerk. Mal da. Mal da. Eine Mulde für Schutt. Drei Bauzaunelemente, die einen Sandhaufen beschützen. Ein Gerüst an einem von Abgasen und Stadtstaub vergorenen Wohnungszweckbau aus den Sechzigern, der es wirklich bitter nötig hat gentrifiziert zu werden. Eine Dixie-Klo vor einer sich im Umbau befindlichen Location in Ladenoptik. Gestern noch Pop-Up-Store für ein aufstrebendes oder bereits dem Niedergang anheim gefallenes Modelabel. Heute im Umbau, mit Packpapier zur Uneinsicht verklebt. Morgen eine Bar mit DJ und starken Longdrinks, vorzugsweise Gin oder Vodka Tonic. Definitiv mehr als 2cl. Von außen nicht so richtig als Bar erkennbar. Weder als der Hot Spot, von dem alle reden. Alle. Die Stadt. Die Freunde. Die vermeintlichen. Die vielen. Natürlich gibt es einen Türsteher.

Es wird selektiert. Mehr schlecht als recht. An der Tür zur Bar. Bei der Wahl der Geschlechtspartner. Bei der Neuvergabe von individualistischer Lebensart und Weise im Zentrum von Berlin. Weltstädtisch. Man gibt sich. Ein unentwirrbares Zusammenspiel von Investitionen und Gleichgültigkeit. Was kümmert die Geschichte. Was kümmern die Geschichten. Des Teufels Wandelbarkeit liegt im Detail. Einen Plan gibt es nicht. Weder zur Bebauung. Noch zur Zukunft. Auch wenn man fleißig auf sie baut.

Es ist das Geld, das plant. Und es ist das Geld, das baut und verändert. Nicht nur das Straßenbild und die Fassaden. Auch die Menschen. Die Bewohner. Die Einwohner. Die real-existierende Summe derer, die durch ihr und das Leben im Kleinen und im Ganzen der Komposition aus Glas, Stahl und Stein überhaupt erst eine Berechtigung des Seins verleiht. Einen Zweck. Einen Glauben. Hier leben Menschen. Hier wollen Menschen leben. Hier finden sie ihr Zuhause. Hier finden sie eine Heimat. Und sie glauben daran. Ganz egal woher sie kommen. Sie haben davon gehört. Sie haben es gesehen. Und wenn sie nicht einfach dafür zahlen können, dann finden sie eben ein Schlupfloch in diesem Zaun, der Anstand von Wohlstand trennt.

Er kennt auch diese Grenzgänger. Speziell die Grenzgänger. Er ist zuweilen mit ihnen gewachsen. Hat Triumphe und Eskapaden bestaunt. Die zwangsläufig eintretenden Allmachtsphantasien belächelt. Manchmal hat er sie fallen gesehen. Anständig geblieben sind dabei die wenigsten. Manchmal hat er sie fallen lassen. Um sie zu Beschützen. Um sich selbst zu Schützen. Manchmal sieht er einen im Fernsehen. Doch was die alle wirklich so machen, interessiert ihn eigentlich nicht. Es ist nicht die Welt in der er lebt. Es ist ein Job. Irgendwann wird es vielleicht mal so sein, dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Er parkt den Wagen unauffällig hinter einem Bauwagen und wählt eine Nummer. Er lässt es zweimal klingeln, dann dreht er mit der rechten Hand das Radio runter und genießt für einen Augenblick die das Innere des Wagens einnehmende Stille.

Timing ist alles in diesem Job. Man muss sich als Dienstleister verstehen. Als jemand, der in Demut und Bescheidenheit seinen Job macht. Und das richtig. Und gut. Es gibst selten jemand in dieser Branche, der von sich behaupten kann, seinen Job wirklich ernst zu nehmen, Den Meisten geht es nur um das Geld. Genauer formuliert: Um die Wertschöpfung. Die Rechnung war, ist und wird immer einfach bleiben. Die Nachfrage bestimmt das Angebot und der Anbietende bestimmt den Preis. Denn eines ist wichtig: Am Preis kann man was drehen. An der Qualität nicht. Die Qualität ist die Grundlage. Der Vertrauensbeweis.Und es geht nicht um gleichbleibende Qualität. Es geht um die jeweils beste. Da darf man keine Kompromisse machen. Sein Produkt ist ein Klassiker. Ein Evergreen. Eine Marke. Kein Partydroge aus den Neunzigern. Es ist ein Mythos, über den man nicht spricht. Ein offenes Geheimnis einer weites gehend geschlossenen Gesellschaft.

Der schlimmste Feind ist die Gier. Die eigene. Und die der anderen. Und die Stadt ist voll davon. Das macht vor keiner Branche halt. Das schnelle Geld. Der schnelle Erfolg. Die Macht. Der Sex. Die Drogen. Er hat das nie verstanden. Muss er auch nicht. Will er auch nicht. Er glaubt die Gier gespürt zu haben. Aber wenn das wirklich so sein sollte, dann hat er sie gezügelt. Besiegt. Nicht einfach. Man darf so etwas nicht anfangen ohne weit und breit angelegte Exit-Strategie. Und heute ist es soweit. Die letzte Nacht. Die letzte Tour. Und noch eine gute Tat.

Nach ein paar Minuten sieht er sie aus dem Haus kommen. Mit Abstand die schönste Frau, die in den letzten Jahren regelmäßig zu ihm ins Auto stieg, um bis zur nächsten Kreuzung oder einmal um den Block mitzufahren. Sie arbeitet bei einem Kulturinstitut. Was immer das auch ist. Wenn sie das sagt klingt das gut. Und irgendwie wichtig. Sie hat wilde, tiefschwarze Locken und zelebriert die Makellosigkeit ihrer Erscheinung mit zeitloser Eleganz. Er hat von Mode keine Ahnung. Von Fashion erst recht nicht. Aber er erkennt Stil. Und davon hat sie jede Menge. Das ist in der selbsternannten Modemetropole doch recht selten. Wenn alle so tun, als wäre Mode dazu da, sich eine Note zu geben, die unverwechselbar macht, warum sehen die dann alle irgendwie gleich aus?

Sie öffnet die Tür auf der Beifahrerseite und verbindet schwungvolles Einsteigen und Platz nehmen mit einem überschwenglichen Kuss auf die Wange. Sie mag ihn. Das weiß er. Er weiß auch, dass sie einsam ist. Ab und an stellt sie kleine Videos von sich ins Netz. Anonym. Sie sitzt dabei nackt vor ihrem Computer und masturbiert. Der Bildausschnitt der Webcam reicht vom Hals bis zu den Knien. Im Zimmer ist es dunkel. Der matthelle Schein des Monitors taucht ihren Körper in ein diffuses Licht und gibt ihrer Haut einen weichen und perfekten Schimmer. Eine idealisierte Wichsvorlage. Unglaublich schön. Vielleicht weiß das nur er. Sein Privileg als stiller Zeremonienbereiter. Er weiß viel über seine Kunden. Sie vertrauen sich oft an. Das mag den Zuständen geschuldet sein. Dem hohen Puls. Der Euphorie. Der Erwartung. Oder der Sucht. Oder einfach dem Umstand, dass sie glauben sich mit einem Geheimnis in guter Gesellschaft zu befinden.

Gute Gesellschaft hat sie nötig. Das spürt er. Er hält den Wagen etwas weiter die Straße runter, ein paar Meter vor einer Videothek mit ausgewähltem und spezialisiertem Repertoire: Film Noir, Splatter, Arthaus, Retrospektiven, Reihen, Schlingensief, Versionen in Originalsprache im Director' Cut und Filme, die man nie gesehen hätte und nicht will. Er drückt ihr das letzte Briefchen in die Hand. Das Letzte von grob geschätzt zig tausenden. Das allerletzte würde er gern sagen. Doch Abgänge wie diese, wie der seine, heute in dieser Nacht, müssen still und unbemerkt ablaufen. Polnisch nennt man das. Warum weiß er auch nicht. Er bittet sie das Briefchen mit dem netten Typen zu teilen, der im Begriff ist den Laden abzuschließen. Er zeigt auf ihn. Sie nickt. Timing ist alles. Sie schaut ihn kurz fragend an und will doch keine Antwort. Es liegt in der Luft. Heute passiert was. Sie steigt aus, lächelt ihn ein letztes Mal an, schließt die Tür und läuft winkend auf die Videothek zu. Sie werden sicher ein bisschen miteinander reden. Vielleicht auch mehr. Vielleicht gehen sie auch zusammen in die Bar gegenüber. Er weiß, dass sie dort gerne hingeht. Und von ihm weiß er es auch. Er weiß eigentlich ziemlich genau, in welchen Läden sich seine Kunden gerne aufhalten. Er würde alle diese Orte im Schlaf finden. Er würde jetzt gerne ganz lange Schlafen.

Er macht sein Telefon aus, nimmt es aus der Halterung links über dem Amaturenbrett, entfernt die Sim-Karte und wirft sie aus dem Fenster. Er streift sich das kleine Headset vom rechten Ohr und schaut ein letztes Mal der Gewohnheit geschuldet in Rück- und Seitenspiegel. Dann lässt er einmal mit aller Schärfe, ohne spürbar und sichtlich den Kopf zu bewegen, den Blick kreisen. Fast wie in Zeitlupe. Oder wie in einem Blockbuster mit DeNiro. Ein geübter Gangsterblick. Eine Notwendigkeit. Niemals hätte er sich verziehen, unachtsam gewesen zu sein. Man darf seiner eigenen Philosophie nie untreu werden. Die Gier. Die verdammte Gier. Wie oft hatte er sie gespürt. Doch da war keiner. Nie war da irgendjemand an ihm dran. Und so wird es auch bleiben. Er ist raus. Er fährt jetzt nach Hause. Zu seiner Frau. Zu seiner Tochter.

Er sieht die beiden vor der Videothek stehen. Sie lachen, gehen über die Straße und steuern auf den Eingang der kleinen Bar zu. Sie sehen gut aus. Irgendwie passen die zwei zusammen. Er hat ein gutes Gefühl bei der Sache. Sie werden sich nach dieser Nacht wiedersehen. Er ist sich ganz sicher. Heute ist etwas passiert. Und vielleicht werden sie ihn nicht vergessen. Vielleicht werden sie sich erinnern. Vielleicht. Und wenn alle anderen ihn bald vergessen, dann hat er alles richtig gemacht.

Er dreht den Zündschlüssel um. Der Dieselmotor fängt kaum merklich an zu Arbeiten. Er setzt den Blinker. Alles und wie immer ordnungsgemäß. Der Ringfinger seiner linken Hand drückt mit gespielter Anmut und ehrlicher Erleichterung einen ins Lenkrad eingelassenen Schalter und entstummt das laufende Radioprogramm. Klick bumm klack bumm. Ein beliebiger Mischmasch aus House und seichter Disko. Fahrstuhlmusik für Fortgeschrittene. Genau das richtige. Die Straße ist leer und doch hat er das Gefühl sich in den laufenden Verkehr einzuordnen. Als würde man einfach so in etwas aufgehen und nie wieder als der zurückkehren, der man mal war.




Mittwoch, 19. Dezember 2012

Bis ans Ende der Welt - Eine Hochzeit, ein High, ein Light das never goes out.


Am Festungsgraben, unweit Unter den Linden, der wärmste neunzehnte Oktober soll es gewesen sein.  Aller Zeiten. Seit Aufzeichnung der Zeit. Oder der Temperaturen. Es hätte auch Regen fallen können. Oder Hagel. Oder Bomben. Wir hätten geharrt. Und ja gesagt. Und gut ausgesehen. So wie wir es taten. Keine Engel. ...a Golden Choir singt für uns. Der Rest des Tages war dann nur noch Formsache. Das erste Geschenk eine Bierzapfanlage. Und dann ein Hashtag. Und du so richtig cool. Du und dein weißes Kleid. Bodenlang. Vintage. Ein Knopf fehlt. Fällt keinem auf. Perfektion verzichtet heute auf Detailversessenheit. Besser so für sie. In den nächtlichen Tortenanschnitt platzt Niels. Aber dem eilt sein Ruf voraus. Also was solls. Die Chemie stimmt. Die Moleküle tanzen. Man muss eigentlich nur draufhalten. Denkt man sich so. Denkste! Ich denke meist nichts. Nehme teil. Bin da. Und glücklich. Den aufgezwungenen Hochzeitstanz überspielen wir mit Leichtigkeit. Und Knutschen. Und du rettest sowieso immer alles und jeden mit einem Lächeln. Wir halten uns fest. Dann hat Hagen die Kamera ausgemacht. Besser so für alle Beteiligten.



Danke Hagen für dieses Video. Die ausgiebige, ausladende und lange Nacht im Rohschnitt werde ich so schnell nicht vergessen. 

Samstag, 21. Juli 2012

Tropfen weise




Verlieren den Atem, werden Mittel
Los, Punktlandung sanft, hart, mittel

werden groß, artig, wild und Feuer,
setzen die Stadt in Brand, stecken

die Köpfe zusammen, prallen auf
und in einander, fallen auf und hin

und her sehnt sich die Sucht selbst,
schiebend im Takt unserer Monster

Thesauri, für jedes Problem gibt es
eine Lösung, eine Nummer, einen

Dealer, einen der einen kennt, der
etwas weiß oder zumindest so tut

als würde er gleich seinen Schwanz
auspacken und abspritzen, aber es

kommt besser, schneller, öfters und
gelegentlich kriegt man es sogar mit

und mittelprächtig geht es so, muss
ja, klar, manchmal auch etwas Glück,

tropfenweise, aufgereiht auf weiter
Flur, wie aus einer Pipette appliziert.


(...)

Dienstag, 22. Mai 2012

Über falsch verstandene Treue und neoromantische Antifolklore


„Nicht Untreue zerstört unser Beziehungsleben, sondern falsch verstandene Treue. Das muss sich ändern.“  So leitete die Autorin Michéle Binswanger in der ZEIT ein Manifest(chen) unter der Überschrift „Die große Lüge“ ein und sie steht damit nicht alleine da. Feminismus muss dahin wo es weh tut und das pseudo-religiöse Dogma der ehelichen Monogamie als männliches Behauptungswerkzeug ist für viele keines mehr, dass noch Anspruch hat dem gerecht zu werden, was wir leben und leben wollen. Oder zumindest viele. Oder einige. In einer Stadt lebend, in der Sex und Sehnsucht ständig und allerorten kollidieren, hat man oft das unangenehme Gefühl Zeuge von Unzulänglichkeiten zu werden. Das alles macht bei dem Thema nicht unbedingt Mut. Doch sollte es in erster Linie nicht um andere gehen, sondern um Selbstbestimmung und was man für Folgen daraus zieht. Nur dann kann man auch Vorstellungen entwickeln, die einen durch die Liebe leiten.

 Auch der ZEIT-Autorin Michèle Binswanger ist bewusst (und das hat nichts mit 'Eingeständnis' zu tun), dass viele Menschen eine Sehnsucht nach Familie und Heimat in sich tragen, eine Sehnsucht von der viele glauben, dass sie vervollständigt, glücklich macht und der eigenen Existenz mehr Sinn verleiht, vielleicht sogar erst dann überhaupt Sinn verleiht. Ein Metaprogramm, das einsetzt, wenn man daran denkt gemeinsam mit jemandem Kinder zu haben. Wahrscheinlich beginnt da der monogame Gedanke sich als Ideal auszubreiten. Sich dann vorzustellen, man lebe in einer Beziehung, einem familienartigen Verbund, in dem letztendlich egal ist wer der biologische Vater ist, ist schwer vorstellbar. Zumindest geht mir das so. Mit was sich Menschen abfinden können ist eine andere Frage. Auch was Zeit und Anstrengung mit einem machen. Auch wenn mich die Vorstellung wie meine Freundin mit jemand anderen fickt bzw. dabei zu sein oder auch andere Szenarien mich zuweilen geil machen ist die Vorstellung sie führt bei einem Glas Wein mit jemand anderen intellektuelle Gespräche, fängt irgendwann dann an mit demjenigen zu knutschen und geht mit ihm heim, keine die mir gefällt und mit der ich glaube mich (zum jetzigen Zeitpunkt) anfreunden zu können. Das normative Moment geht meiner inneren Haltung ab. Erstmal möchte ich dass wir glücklich sind und uns glücklich machen. Die kleinstmögliche Einheit an Vertrauen. Der Kern gegenseitiger Zuneigung. Falsch verstandener Hedonismus ist da fehl am Platze.

 Doch ich habe auch manchmal Lust auf andere Frauen, meistens weniger intellektuell (doch auch aus der intellektuellen Spannung kann Sex entstehen), sondern musisch und sexuell. Ich habe auch manchmal Lust Heroin zu nehmen oder jemanden eine ordentliche Abreibung zu verpassen. Aber ich mache es nicht, weil ich glaube, dass Freiheit sich in jedem Moment neu hinterfragen muss. Ich glaube, will man 'Vorleben' , weil man verändern möchte, muss man sich erst 'Einleben'. Das Gefühl jemanden nicht ausfüllen zu können und deshalb teilen zu müssen, stelle ich mir nicht schön vor. Die Idee sich gegenseitig glücklich zu machen und Glück zu gewähren kann was anderes sein. Es geht um die Fragen 'Was ist Ersatz?' und 'Was ist Ergänzung?' und was man davon für sich akzeptieren kann.

Ich glaube um aus dem 'Korsett' der Monogamie entfliehen zu können, muss man Monogamie verstanden haben. Nur dann kann man Muster überwinden, die einen daran hindern sich frei und ausgefüllt zu fühlen. Und dann ist das Befreien der Sexualität aus der Ehe für alle Paare, die den Auftrag zu verändern, den Feminismus und den eigenen Erlebnishorizont ernst nehmen, oberste Bürger-, Hipster- und FeministInnenpflicht. Über das gemeinsame 'Stopfen' von Wissens- und Erfahrungslöchern kann man vielleicht gemeinsam an Punkte kommen, die es erlauben Dinge andenken zu können. Das Fleisch ist bekanntlich willig. Manchmal langt es ehrlich zu sein.

 Letztendlich besteht trotzdem stets ein Ungewicht zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Man wäre gerne viel lockerer als man ist. Speziell in Berlin. Hier blühen die Neurosen in jedem Grünstreifen. Trotzdem, man möchte zeigen, dass man sich nicht mit dem zufrieden gibt, was Gesellschaft einem als Lösung vorschlägt. Man hat das Gefühl, es wird dem eigenen Lifestyle, den man im Begriff ist zu finden, nicht gerecht. Doch ich glaube um einen Wertewandel anzustoßen, darf man nicht die Hoheit über das eigene Handeln aus der Hand geben. Man muss den leider oftmals qualvollen Weg der Selbstfindung gehen. Die Moodmap ausbreiten, die Hashtags in den Rucksack packen und los gehts! Protest richtet sich auch immer gegen das eigene Glück, weil visionäres Bewusstsein auch den gesellschaftlichen Realitäten und der eigenen Zufriedenheit gerecht werden muss und die entspricht im Regelfall nicht dem Ideal. Nach wie vor glaube ich, dass es speziell in unserer offenen, globalen, kommunikativen und Ich-bezogenen Welt wahnsinnig schwer ist (und immer schwerer wird) Modelle zu finden, die es ermöglichen, dass Menschen sich grundlegende Fragen stellen. Dazu gehört zum Beispiel auch der oben angerissene Komplex, warum man irgendwann zu einem gemeinsamen Kinderwunsch kommt. Und grundlegende Fragen und der Versuch sie zu beantworten enden nun mal in der Phantasiewelt, in der Religion, in Weltanschauung, in Momenten in denen Metaphysik und Glauben mit zivilisatorischer Vernunft kollidieren. Unsere Waffen sind Rationalität und Hedonismus. Und vielleicht eine Form neoromantischer Antifolklore, deren Mäanderungen noch unabsehbar sind. Glaube und daraus resultierende Dogmen, Erlösungs- und Heilversprechen scheinen wahnsinnig schwer zu schlagen. Man munkelt der Papst bereiste jüngst Kuba, weil Fidel sich rückbesinnend auf seine Erziehung und dem Tod ins Antlitz blickend wieder dem Glauben zuwendet. Doch das geht jetzt zu weit.

Am Ende bleibt einem Liebespaar - modern, aufgeschlossen oder im Klischee verhaftet - nur die Chance dem Gefühl, dass man für- und miteinander empfindet, gerecht zu werden. Allein das ist schon Aufgabe genug. Doch zuerst natürlich Welt retten, Ego in Sicherheit bringen und sich so richtig austoben. Hier, in Berlin. Wo wir alle so edgy sind und dem Zeitgeist jeden Tag aufs neue beweisen wollen, wie sehr wie bereit sind, die uns auferlegten Fesseln zu sprengen. Wenn da nur nicht immer wieder diese Momente wären, in denen wir verwundet, verletzt und verlassen, ganz allein dasitzen und uns fragen, was wir denn diesmal wieder falsch gemacht haben. Denn Monogamie hat weniger mit Sex tun, vielmehr mit Verbindlichkeit und Vertrauen. Sex wird überschätzt. Das ist die Chance.

Montag, 21. Mai 2012

Pas de deux


Du bist wie Ulrike, gemalt von Richter, die
Unschärfe entblößt Deine Gewalt, urteilsfrei, ein
Stein ist ein Stein ist ein Wurf, ein Argument; dein
Begehren ist ein Berg und ich halte Wache an der
Talstation, keine Teilzeit, ein Vollzeitjob, ein
unbedingtes Muss, eine Notwendigkeit, schlicht.

Du bist wie ein Abend mit Christoph, wild und
wirr und anarchisch, ein Skript aus Tränen, Blut
und Benzin, leicht entflammbar, zerstörend und
so echt, dass es weh tut, dass es schmerzt, dass
für einen Augenblick die Luft weg bleibt, lang
genug; ein Schelm der Böses dabei denkt.

Du bist wie eine Nacht unter Feinden, abverlangt
wird alles und mehr, das Know-How muss auf
den Tisch, in die Mitte, ins Zentrum; dort hatten
wir ein Testament hinterlegt, fein säuberlich
gelistet, die Bedingungen. Und es ging nie um
Kapitulation, es ging immer nur um den Sieg.

Du bist wie ich, so ähnlich, sich annähernd, in
der Mitte treffend oder am Rand, ganz egal; Du
sprengst den Raum, fortwährend, immer wieder
neu und es macht Dir Spaß, Du kriegst nie genug
davon und das ist gut so; Widerstand darf banal
sein, die Liebe manchmal auch, unbedingt.