Ich glaube weder an Parteien, deren
Personal, noch an den Staat als solchen. Weder als faktisch Rahmen
gebend, noch als Konstrukt, Idee oder Ideal. Vielleicht wäre das zu
einer anderen Zeit anders gewesen, aber ich kann eben nur für die
meine sprechen, für das Hier, das Jetzt. Und soweit ich mich
entsinnen kann, ging es mir nie anders. Mich hat nie die Wertigkeit
eines Staates, geschweige denn einer Nation, eines Volkes,
interessiert, sondern ausschließlich dessen Verlust und Ableben, das
historisch Dekonstruierte, die topographische Verortung im Wandel der
Zeit und die Konsequenzen staatlichen Handelns als Grundlage
kritischer Auseinandersetzung, eventuell sogar als Grundlage für
zivilen Ungehorsam, für Widerstand.
Die zurückliegenden Bundestagswahlen
haben dran nichts geändert. Zu offensichtlich sind mittlerweile die
Zwänge aus persönlicher Karrierekonsolidierung und markt- bzw.
meinungsorientierter Beliebigkeit. Aufgeklärte und gebildete Bürger
würden anders wählen. Ohne Ängste, im speziellen ohne
Existenzängste, fällt es leichter die Zukunft zu wählen und nicht
den Status Quo zu verteidigen, denn dieser besteht leider noch immer
aus dem Voranstellen eigener Interessen, in dem Fall vermeintlich
nationaler, binnenwirtschaftlicher und versorgungsrelevanter. Die
'Anderen' sind nur Teil einer Exportstatistik. Eine Zahl, keine
wirkliche Freundschaft. Eine ungleich gewichtete Abhängigkeit. Keine
Solidarität.
Ich muss nicht vom Sinn oder Nutzen
eines starken Deutschlands innerhalb der europäischen
Staatengemeinschaft überzeugt werden. Ebenso wenig interessiert mich
ein starkes Europa. Mich interessieren einzig und allein die
Möglichkeiten Vorurteile und Benachteiligungen zu bekämpfen und
Grundlagen zu schaffen, die es ermöglichen, dass unterschiedliche
Gruppierungen, egal ob ethnisch, wirtschaftlich oder ideologisch
miteinander verbunden, miteinander kommunizieren und Dinge ver- und
aushandeln, die einer künftigen Weltgesellschaft die Chance geben,
sich solidarisch weiter zu entwickeln, sich individuell zu entfalten
und eine neue Kultur des Miteinanders zu schaffen, die langfristig,
oder sagen wir besser absehbar, in der Lage ist sozialen,
wirtschaftlichen und religiösen Frieden zu stiften. Europa ist eine
Etappe. Wäre das nicht eine frohe Kunde im Wahlkampf gewesen? Eine
gute Nachricht: Ja, es gibt die Hoffnung die Kleinteiligkeit von
Interessen zu überwinden. Ja, es gibt Gemeinsamkeiten, die die
Unterschiede verblassen lassen. Ja, wir steuern unausweichlich auf
eine bunte, solidarische, multi-kulturelle, multi-religiöse und
geschlechtergerechte Gesellschaft zu. Uns bleibt quasi keine andere
Wahl und deswegen nehmen wir das an, finden uns damit ab und
verspielen das nicht mit dem Bedienen oberflächlicher und
populistischer Bedürfnisse.
Wenn man sieht, wie vor und nach der
Wahl gleichermaßen 'gewusst' wird, alles erklärbar gemacht und -
was noch dramatischer viel ist – dem mehrheitlichen Wählerwillen
nachgebetet wird, entbehrt dies jeglicher seriöser Betrachtung von
Idealismus und Haltung. Ich weiß im Vorfeld auch warum der BVB
gewinnt und ich kann auch hinterher ziemlich genau sagen, warum das
Spiel für den BVB verloren ging. Der Mechanismus ist mir nicht
fremd. Ich bin genau so Erklär- und Verteidigungsmaschine wie jene,
die abkommandiert, stellvertretend oder meinungsführend eine
Wahlniederlage schönreden müssen. Denn Verlieren war, ist und
bleibt nicht sexy. Eine Niederlage bleibt Makel und kann zum Trauma
werden, kann aber im besten Falle auch ins legendäre umschlagen und
das Auferstehen zelebrieren. Aber spielt das noch eine Rolle, wenn
Posten nicht mehr durch Wahlen, sondern durch parteiinterne und über
öffentliche Medien ausgetragene Machtspielchen und dunkle Allianzen
zwischen privater Wirtschaft, öffentlicher Hand und individueller
Gier vergeben werden. Heilig scheint hier nichts mehr. Das Gefühl
für bzw. der Magie, die der Politik stets zugestanden hat die Welt
besser machen zu können, scheint flöten gegangen zu sein,
zumindest so lange die Nationalmannschaft nicht den Titel erkämpft.
Denn dann werden Legenden geboren, gebärt das Universum tanzende
Sterne, die so hell scheinen, dass selbst die Schattenreiche, die
Niederungen und die Angst für kurz erleuchtet werden und die
politischen Vertreter der Macht sich dem kollektiven Rausch nicht
entziehen können und Präsenz zeigen. Vielleicht interessiert mich
das alles in vier Jahren wieder. Ach was sag ich da: Bestimmt! Denn
ein Spektakel ist es allemal und als Teil der Brot &
Spiele-Kultur, in die wir uns gnadenlos immer weiter rein
manövrieren, auch unverzichtbarer Bestandteil der Klaviatur des
Bösen, denn hier gaukelt ein System Entscheidungsfreiheit vor,
obwohl es uns in Sippenhaft genommen hat. Es wird Zeit Freiheit neu
zu definieren und dazu braucht es keine Wahl.
Dieser Text findet sich auch im Blank Magazin
In Anlehnung an die 1977 erschienen "Briefe zur Verteidigung der Republik" haben Stephan Urbach und ich angefangen den Zustand der Republik zu beschreiben. Aus dieser Idee heraus habe ich auch diesen Text verfasst, auch um mich selbst in der Republik verorten zu können.